cemartin berlin lektorat ghostwriting - Bücher

        

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Diese Website ist kein Auffanglager für fabrikartig hergestellte Buchstabenfolgen. Daher wird sich an dieser Stelle nicht oft etwas Neues einfinden. Neue Texte oder ähnliche Basteleien erscheinen vielleicht alle sechs Monate mal.


Die meisten längeren Texte sind übrigens versehen mit einer in Klammern gesetzten Jahreszahl der jeweiligen Endfassung, um einen Aktualitäts- Zusammenhang herstellen zu können, falls Ihr das toll findet.




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16.08.2019

B a d e n g e b e n   i s t   s e l i g e r   d e n n   B a d e n g e h e n


Müllinferno

Manche Leute -- ziemlich viele -- baden weder im Geld, noch in Menschenmengen. Manche von den ziemlich vielen Leuten baden stattdessen in der Badewanne oder im Freibad, das übrigens gar nicht so heißt, weil dort der Eintritt frei ist, sondern weil man frei haben muss, um dort an Werktagen baden gehen zu können. Andere Leute -- nicht ganz wenige von den ziemlich vielen Leuten -- sind großzügig und denken nicht nur an ihr eigenes Bad, sondern auch an das ihrer Mitmenschen. Sie geben ihr Bestes und legen echte Pressspanbretter, original fleckige Couches, inhaltlich durchaus noch lesbares Altpapier oder bei Dunkelheit nicht sofort dreckig aussehende Marken- Kleidungsstücke unter einen eddingbeschrifteten Zettel "zu verschenken :)" in den Hausflur, auf das in Lumpen gehüllte Nichtshaber inniglich lobsingend zu weinen beginnen, während sie tränen- und schweißnass, vorzugsweise soeben dem Mittelmeer entflossen, die Geschenkeflut in ihre schäbig trockene Unterkunft schleppen, um solchermaßen ausgesorgt endlich im materiellen Überfluss baden zu dürfen. Hallelujah : Neues Testament 2.0 .

Es gibt indes noch eine nicht zu unterschätzend große Fraktion ausufernd selbstloserer Badengeber, die mit einer spirituell entlehnten Geste des Loslassens quasi im Vorbeigehen Hausmüll, Papier, Glasflaschen oder Wertstoffe an, auf, hinter, neben, nur nicht in die Mülltonnen drapieren, woraufhin eine etwas kleinere, unterschätzte Fraktion Nichtbadenwollender alternativlos einschifft, der Sintflut Herr zu werden. Hausmeister – im Fachjargon „Hausis“ – steigen in die Tonnen, glätten die unruhigen Wogen vermittels komprimierender Trampelei, um das solchermaßen darin gewonnene Müllniveau bis zur Grenze des Überquellens zu krönen mit umherliegenden Tütchen, Päckchen oder Häufchen. Alsdann bahnen sich zertifizierte Kräfte kommunaler Abfallentsorgungsbetriebe – im Fachjargon „Müllis“ – einen Weg durch das Watt, um die im Falle des Zuwasserlassens sofort untergehenden Mülltonnen mit einem Wasserverdrängungsgewicht eines halben Dutzends Waschmaschinen im Schlepptau dem im Fließverkehr ankernden Müllwagen zuzuführen.

Zwei dieser Müllis schenkten mir gestern früh in Wedding einige Minuten ihrer Zeit, mich teilhaben zu lassen an ihrer Teilhabe des arbeiterschaftlich gesicherten Wohlstandes in unserem Lande. Sie berichteten von Autofahrern, deren müllwagenbedingt gestauter Verkehrsfluss zu stürmischen Beschimpfungen und Hagelsteinwürfen animierte; von Schießereien oder Prügeleien wenige Straßen entfernt – nicht wegen Mülls, nur wegen Geldes –; von der Armada derart dicht parkender Autos, zwischen die keine Mülltonne passe, weshalb sich immer wieder Gelegenheiten böten, mit der Tonne an der Hand den Rest der Straße bis zur nächsten Kreuzung entlangzuflanieren, was mitunter seitens der Disposition als Arbeitszeitbetrug gewertet werde, wenn der Müllwagen währenddessen länger als 11 Minuten unbewegt herumgestanden hatte; Urlaubsvertretungen gebe es kaum nennenswert, bestenfalls Aushilfskräfte, die wohl noch nie Mülltonnen von außen gesehen hätten, weswegen dann der verbliebene Mülli die Touren effektiv allein zu bewältigen habe – auch um zahlreiche erbarmungslos zugeparkte Straßenecken herum, auf denen Autos vermutlich nur deshalb ganz bewusst abgestellt wurden, um den Müllschiffern Gelegenheit zu geben, ihre fahrerischen Fähigkeiten zu beweisen und dabei sogar kostenlos bewundert zu werden. Die harte körperliche Akkordarbeit zusammen mit diesen unwirtlichen Rahmenbedingungen ließen schon montags den Freitag ersehnen und seien betriebsintern wohl schon öfter Gegenstand von Verbesserungsbitten an den Betriebsratsvorsitzenden gewesen. Jemand, der nunmehr im 12. Jahr seines Amtes walte, obgleich er informellen Umfragen zufolge seit Jahren gar nicht mehr wiedergewählt worden sei, was der Vorsitzende bisher jedoch elegant zu umschiffen wüsste, indem er die stets erst am späten Freitag gefüllte Wahlurne sicher verwahrend über das Wochenende mit nach Hause nehme, um sie am Montag vor aller Augen zu öffnen; an jenen Montagen sähen dann alle Augen ein Meer aus Stimmzetteln, deren Kreuze seinen Namen zierten. „Tja“, resümierten die beiden Müllis, „kann man nichts machen. Aber einer muss ja den Job machen. Immer noch besser bezahlt als Hartz-4- Umzüge. Du weißt schon : halbvolles Glas …“ Sie winkten mir zu, während sie kurz vor Ablauf der 11 Minuten den Anker lichteten und aufbrachen ostwärts zu neuen Ufern zwei Häuser weiter. Weiter badengehen.

Robert, mein ehemaliger Kollege, mit dem ich 2007 eine vollgemüllte Gartenlaube ausräumte, meinte damals, „letzten Endes fliegt doch eh alles auf den Müll“. Robert zog gleichgültig an seiner Kippe, als er diesen Kommentar auf meine Bitte hin äußerte, einen alten Jugendstil- Bilderrahmen doch aufzuheben. Afghanistan war Roberts letzter Einsatz gewesen. Dort hatte er den Stellenwert von Leben und Tod kennengelernt und wusste nur noch müde zu lächeln, wenn irgendwelche alltäglichen Banalitäten an ihn herangetragen wurden. Recht hatte er. Was sollten wir Lebenszeit in ein verrottetes Stück Holz investieren, das nach mühsamer Aufarbeitung vielleicht 20,- € wert gewesen wäre. Geld, das wir vielleicht nicht mal mehr hätten ausgeben können, wenn wir rechtzeitig vom berüchtigten Bus überfahren worden wären.

Jeden Augenblick Lebenszeit dankbar effektiv nutzen, Prämissen setzen; das war Roberts Philosophie.

       

Nicht ganz wenige von den ziemlich vielen Badengebern könnten Robert zugehört haben. Sie haben ihn missverstanden. 




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04.07.2019

Vom 05.06.2018 bis zum 04.07.2019 durchlebte ich 395 Tage zwischen Glut und Eis, Distanz und Einssein. Nun will ich aber keinen Roman schreiben, stattdessen sollen ein paar anderweitig zusammengefasste Worte hierzu genügen :

"... mir fehlt schlichtweg die Zeit. Nicht unbedingt, weil ich schon 46 bin, gefühlt alle paar Tage Weihnachten ausbricht und ich sowieso tagtäglich vom Bus überfahren, vom seit 2014 wieder salonfähigen Weltkriegsszenario überfallen oder einfach nur umweltschadensbedingt dahingerafft werden kann, weswegen ich nie weiß, wieviel Zeit mir noch bleibt. Hinzu kommt indes meine Atemlosigkeit seit 2016, in die ich nicht wegen Helene Fischer, sondern meiner Traumfrau verfiel, während mich gleichzeitig Schlaflosigkeit übermannte, nicht in Seattle, nur in Berlin, weil ich erkennen musste, dass Traum, Wunsch und Wirklichkeit keineswegs schnittmengengleich sein müssen. Some like it hot -- ich hingegen verbrannte mich. Wäre sie fisherman's friend gewesen, "hätt ich vielleicht nichts gesagt", wie damals schon Herbert Grönemeyer. Aber so war sie zu stark und ich zu schwach. Seltsam, wenn ein Lebenstraum sich als Fiktion entblättert. Naja, noch haben wir in dieser Sache keinen Vergleich geschlossen, weswegen sie (= Sache und Person) mich weiterhin beschäftigt."

Klärchen



Fortsetzung folgt. Vielleicht.

Edit : Die Sache wurde nach vergeblichen Zuwartens zu den Akten gelegt. Ein Vergleich kam nicht mehr zustande, weil vergleichsweise viel Antipathie offenbar sämtliche sympathische Restbestände erfolgreich verdrängt hatte, was mich daher vergleichsweise viele Tränen kostete. Fast unbezahlbar, aber was Mario Draghis Bazooka mit Geld kann, können andere empathische Menschen Gott sei Dank mit Herz, um mal einen unauffällig hinkenden Vergleich zu nutzen. 





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22.02.2019

what would you´ve done ?

Warum ? Was ? Konjunktiv.


Eine solche wie die Titelfrage haben wir gnadenreich zu spät Geborenen uns sicher alle schon mal gestellt. 

Nein, die Frage betrifft mal nicht die Jahre 1933 ff., sondern einen Mann, der mich vorgestern auf einem Parkplatz antraf. Er mochte um die 60 gewesen sein, eigentlich zufrieden und lebensfroh, dennoch wirkte er schon auf den zweiten Blick am Ende seiner Zuversicht. Ich hatte neben seinem teuren Wohnmobil geparkt, das er soeben mit seinem Fahrrad besuchen wollte, und er sprach mich an, weil ich nebenher einen Unfallschaden an seinem Wagen kurz betrachtet hatte. Unversehens dauerte es weniger als drei ausgetauschter Sätze, als er mich fragte, ob ich Kinder hätte. „Zum Glück," antwortete er, und begann sich plötzlich, seinen Schmerz von der Seele zu reden. Er sei vor wenigen Tagen aus Indien zurückgekommen, um seinen 17-jährigen Sohn Yannick abzuholen von seiner daueralkoholisierten Mutter, die bereits mehrerer Klinikaufenthalte bedurft hätte. Der Sohn jedoch habe den Vater nach Ankunft zeitweise über Tage aus dem Haus ausgesperrt, ihn beleidigt, sei mal störrisch, mal nähesuchend gewesen, habe ihn und seine abwesende Mutter wüst beschimpft und sich nach weiteren Begebenheiten vier Monate später überhaupt nur mit großem Überredungsgeschick zurück in die alte Heimat bringen lassen. Seit nunmehr fünf Tagen zurück in Berlin, ist der Vater wohl psych(olog)isch völlig überfordert vom unberechenbaren Wesen des Sohnes und befürchtet latent sogar körperliche Gewaltausbrüche. Eigentlich sei Yannick intelligent -- IQ 133 -- und bis vor einiger Zeit immer gut in der Schule gewesen, habe aber keine Lust mehr auf irgendetwas und spiele nur noch Computerspiele. Der Vater hatte seit Donnerstag diverse Beratungsstellen aufgesucht und sich Hilfe geholt, soweit verfügbar. Nichts half ihm jedoch, nichts gab ihm Hoffnung. Er spielte schon mit dem Gedanken, sich umzubringen, denn sein ganzes Leben war für ihn nur noch ein Trümmerhaufen. Ein gestandener Beamter in guten wirtschaftlichen Verhältnissen, die allerdings seine Lebenskrise nicht positiv beeinflussen konnten. Seit fast einem halben Jahr krankgeschrieben, war er lediglich froh, nicht in der Privatwirtschaft zu arbeiten, denn „dort wäre so etwas gar nicht möglich“. Seine -- wie er empfand -- sinnentleerte Schreibtischarbeit habe ihm in den letzten Jahrzehnten nie Freude gemacht, er habe sie nur wegen des Geldes ertragen. Und mit dem Wohnmobil wollte er wenigstens jetzt in seinen „letzten Jahren" sich wenigstens etwas Freude gönnen in der Uckermark. Nicht genug, dass ihn seine Frau verlassen habe, für die er schon immer „wie ein Dummer" dagewesen sei, wann immer sie ihn gebraucht habe; nein, jetzt sogar noch das Drama mit seinem Sohn, das den Vater an das Ende seines Lebensmutes brachte.

 

Was sollte ich dazu sagen.

 

Ich war sehr betroffen und erzählte ihm zunächst trostweise einiges aus meinem eigenen Leben; wie holprig mehr als 20 Jahre vergangen waren, bevor sich Unsicherheit und Not in ihr Gegenteil verkehrten. Dass auch ich in den 90ern mal auf einem Bahndamm gestanden und die tiefe Mauer hinabgeschaut hatte. Mitunter in Hausfluren übernachtet, kein Geld, keine Zukunft. Dass ich mit narzisstischen Menschen zu tun hatte, deren emotionale und tatsächliche Inanspruchnahme mich über die Grenzen meines Bewusstseins gebracht hatte.

Trotz aller Tiefen waren aber immer wieder Höhen gefolgt, berichtete ich ihm, es brauchte jedoch viel Geduld, sehr viel. Dazu viel Hoffnung, viel Urvertrauen auf einen Sinn im Dasein, der sich möglicherweise auf eine Quelle im Universum fokussieren ließe. Ich berichtete von den Obdachlosen unter den Brücken am Savignyplatz, am Zoo, am Stuttgarter Platz – mittlerweile überall. Ich sprach von Menschen, die im Slum oder ohne alles „leben“ müssen, auf der Straße in Bombay, Lagos, Lima und wo auch immer, und dass sie weder Wasser, noch Strom, noch Auto oder Geld haben; statt Shopping Mall Bürgerkrieg oder Regime; bestenfalls arbeitend als Dweller auf einer Müllhalde, oder in Kinderarbeit im Bergwerk. Vieles, viel zu vieles auf der Welt, von Klima und Umwelt über Krieg und Kriminalität oder Krankheiten und Seuchen bis hin zur weitflächigen Polemisierung, Oberflächlichkeit und ethischen Verwahrlosung unserer Gesellschaften gebe tagtäglich mehr als genug Anlass, deprimiert und angstvoll zu sein. Wozu noch lernen oder arbeiten oder bauen oder demonstrieren, wenn wir sowieso alle keine Zukunft haben ? -- Das könnte man sich im Großen wie Kleinen fragen, wenn das berühmte Glas als „halbleer“, nicht als „halbvoll“ angesehen werde. Aus letzteren Blickwinkel sähe die Welt nämlich anders aus, gäbe es viele positive Entwicklungen, Bewusstseinsveränderungen und Fortschritte durch engagierte, aufmerksame Menschen, mehr als jemals zuvor. Und so könne auch jedes einzelne Leben angeschaut werden im Hinblick auf trotz allem vorhandene oder neue Potentiale, mit denen unter Aufbietung aller Kräfte letztlich doch immer wieder ungeahnte Ergebnisse erreicht werden. Ich sagte ihm, ich glaubte verstanden zu haben, dass niemand mehr vom Schicksal als Aufgabe bekomme, als seine maximale Leistungsfähigkeit hergebe, weshalb unter äußerster Bemühung und Geduld zusammen mit allem Mut in der Regel schlimme Ereignisse doch immer wieder überwunden werden, was man vorher nie gewagt hätte zu hoffen.

Ich erzählte noch weiter alles Mögliche in dieser Art und lobte auch noch sein Herz, denn er sei keinesfalls der angebliche Dumme, wenn er seiner Frau doch immer wieder zur Seite stehe, sondern es sei sehr besonders, wenn jemand trotz allem bereit bleibe, neu zu geben dem, der weniger schafft, als man selbst.

Er zeigte mir ein Foto von sich und Yannick zusammen mit dem indischen Fahrer vor dem weißen SUV mit grünem Kennzeichen unter starken Palmen und blauem Himmel. Ein schüchtern wirkender, hübscher, aufgeweckter Junge sei das, bemerkte ich. Er sei es wert, alles zu geben, um ihn nicht emotional vollends abstürzen zu lassen. Mit ihm einen Neustart zu versuchen, ihm ein neues Fundament der Geborgenheit des Herzens und aufmerksamer, fester Führung zu geben, die er offenkundig vermisse.

Der Beamte war den Tränen nahe und meinte, der Fahrer hätte zum Abschied geweint. Nicht wegen des Jobverlustes, sondern weil er in Indien stets seine große Familie zur Seite habe, die sich in allen Situationen gegenseitig helfe – im Gegensatz zu ihm, dem Vater, der jetzt ganz allein durch diese Situation kommen müsse.

Ja, erwiderte ich, allein. Aber mit ausreichend Potential.

Nun rief jedoch zum zweiten Mal mein Chef an. Der Mann dankte mir herzlich. „Ich will alles versuchen. Vielleicht fahren wir beide, Sie und ich, ja mal zusammen mit meinem Camper in die Uckermark.“ Er entfernte sich und hatte wohl Hoffnung geschöpft.

Aber leider nur das. Mehr wusste ich ihm nicht zu geben.

 

Wir können verzweifelten Menschen ihr Schicksal nicht abnehmen, aber wir können ihnen vielleicht helfen, ihr Schicksal zu bewältigen. Ich bin leider weder Psychologe noch Sozialarbeiter, und mein Rat ist oft genug nicht ausreichend. Einige von Euch hätten in dieser Situation sicher mehr gewusst als ich.

                

 


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25.03.2018

H a t   a l l e s   k e i n e n    S i n n.

Nicht mal anständigen Kakao schaffe ich, anzurühren. Also anrühren im Tastsinne schon, aber eben nicht anrühren im Genußsinne, um hier aus paritätischen Gründen auch einmal ein mehrdeutiges Wort zu Wort kommen zu lassen. Hab schwach entöltes Pulver in unberührte Sojamilch gekippt, anschließend wie ein guter James Bond todsicher nur geschüttelt, nicht gerührt, dann erst gekostet und ... bin irgendwie enttäuscht worden. Obwohl alles total Bio. Vielleicht fehlte da was ? Eine gesunde Prise Pestizid ? Oder was noch Gesünderes -- ach, na klar : Zucker. Ähm, Zucker ? Da war doch mal was in irgendeinem Internetblöggchen zu lesen gewesen über Zucker; ja, irgendwas über Gesundheit und so, und deswegen wollte ich Zucker neuerdings dringend vermeiden. Weil Zucker total lecker, aber total ungesund ist, -- also ungesund sein mag, um es rechtssicher im Konjunktiv auszudrücken und gleichzeitig dem Zucker als bösem Subjekt oder zumindest als mittelbar von bösen Hintermännern benutztem Werkzeug einen mitleidslosen Absichts- Charakter zuzusprechen. Ja, Absicht, denn aus Versehen fällt kein Zucker in´s Essen, erst recht nicht tonnenweise, außer vielleicht bei Laurel & Hardy, aber die sind ja auch schon wieder tot, wenngleich nicht der Zucker dran schuld war. 

Schon mal ziemlich ohne Zucker gelebt ? Ist anspruchsvoll, und zwar nicht im Hinblick auf einen gehobenen Qualitätsanspruch, sondern lediglich als Beschreibung des archaisch wütenden Kriegsschauplatzes innerhalb unseres Geschmacks- Universums, dessen Protagonisten wie Gut und Böse um Vorherrschaft ringen, während wir verzweifelt am Keksregal vorbeizugehen suchen, ohne besinnungslos anzuhalten, wahllos Packungen aufzureissen und Inhalte selbstlos vermittels schonungsloser Selbstaufopferung zu vernichten. Um es ungefähr in Heinz Rühmanns Worte zu kleiden : Man kann ohne Zucker leben, aber es lohnt sich nicht. -- Gut, nun will ich nicht übertreiben, denn es gibt ja außer Zucker noch viele andere schöne Dinge im Leben, aber die nicht wenigen unerfreulichen lassen sich leichter aushalten mit hardcore Drogen wie eben Zucker. Deswegen werden beispielsweise unsere geliebten Kinder ja auch so gutmenschlich von Kinderschokolade umsorgt, damit es Ihnen gelingt, inmitten allumfassenden Elends dieser Welt so richtig glücklich zu sein. Kostet uns immerhin 52 % Zucker und 35 % Fett. Dafür weint das Kind aber nicht mehr, jedenfalls erstmal nicht wegen Schule oder Krieg, sondern irgendwann später nur wegen Zahnschmerzen, Diabetes und übergewichtsbedingten Mobbings; als Kollateralschaden kann so ein Kind depressionsbedingt natürlich auch mal ganz über Bord gehen. Aber ok, nichts ist perfekt, und shit happens eben ab und zu. Wie Verkehrsunfälle.

Kinderschokolade heißt vielleicht nicht unbedingt nur Kinderschokolade, weil diese Schokolade für Kinder besonders gesund ist, sondern eventuell auch, weil Zucker und Kakao ganz gerne mal in Kinderarbeit hergestellt werden, wodurch wir direkt die Einkommenssituation dieser elendig hausenden Kinder verbessern. Unsere vollmilchschokoladeernährten Kinder opfern ihre Gesundheit also für das Überleben der bitterkakaoarmen Ghetto- Kinder auf den unwirtlichen Feldern Afrikas, Südamerikas oder Asiens. Wenn das nicht eine win-win-win- Situation ist. Ja, 3x win -- denn schließlich haben wir selbst auch was davon : Geld gespart, weil wir keine unnötig teure Qualitäts- Schokolade kaufen müssen, die trotzdem auch schon locker um die 40 % Zucker enthalten kann. Und wie bereits nicht zuletzt erwähnt, Ruhe bekommen wir als Abfallprodukt eines jeden Zucker- Schokoladenkaufs auch noch dazu, denn das Kind ist während des Gemampfes endlich mal nicht in der Lage, uns mit irgendeinem Schulgelaber vollzusülzen, und nach dem Gemampfe ist das Moppel schlichtweg zu vollgefressen für akademische Diskussionen. 

Aber ich bin ja kein Kind mehr, daher soll ich keine Kinderschokolade mehr essen. Sojamilch mit reinem Kakao -- ich gebe zu, mehr als zwei Jahre habe ich gebraucht, mich mit dem Gedanken anzufreunden, dieses flüssige Stück Spartanität als trinkbar anzuerkennen. Mindestens 30 Jahre lang hatte ich die Bitterschokoladen- Fraktion für masochistisch veranlagte Ungenießer gehalten, die mittels verbitternden Verzehrs effekthascherisch Aufsehen erregen wollten, um aus dem vor dieser Kühnheit gezollten Respekt ihrer Mitmenschen sich letztlich ihr depressives Elend zu versüßen. Doch je weiter sich ungesüßte Erkenntnis ihren Weg durch meine Welt süßverkrusteter Vorurteile bahnte, desto mehr mühte ich mich, frohen Mutes am Schicksal der Bitternis teilzunehmen. So kam es, dass ich las, aß und noch weniger davon aß. Was keinen Spaß mehr macht, muss man schließlich auch nicht mehr essen. Übrigens auch eine win-win-win- Situation, denn einerseits spare ich mein Geld, zudem spart mein Körper seine Gesundheit, und drittens esse ich jetzt notgedrungen in Ermangelung bisheriger Energiequellen notgedrungen noch viel mehr gesündere Sachen als jemals zuvor. 

Habe kürzlich phasenweise nochmal Zartbitter- Bio- Schokokeksen eine Chance gegeben, fand aber irgendwann zufällig heraus, dass der traditionsreiche Hersteller klammheimlich ohne jeden Hinweis den Zuckeranteil in der Rezeptur dieser Kekse um mehr als 25 % ähm ... "geschmacklich angepasst" hat, würde er vermutlich schreiben, wenn er meine deutliche Reklamation beantworten würde. Tat er auch ne ganze Weile nicht, vielleicht weil Rezepte nicht rezeptpflichtig sind. Wider Erwarten kam viele Wochen später plötzlich doch noch die sachlich gefasste Info, man habe den Schokoladen- Zulieferer gewechselt, und dessen Rezeptur sei eben -- so ein Schicksal aber auch -- mit ein wenig mehr Zucker ausgestattet. Huch, -- das kam bestimmt total unerwartet für den wehrlosen Kekshersteller.

Zu Weihnachten hatte ich nebenbei bemerkt voll leckere Schoko- Lebkuchenherzen entdeckt -- nur "13 % Zucker" ! Reingehauen, gewundert, weil irgendwie ziemlich doll süß. Nährwerttabelle geprüft, noch mehr gewundert, weil unplausibel, Hersteller angeschrieben. Der war auch ganz doll erschrocken über das kleine Missgeschickchen und gab dann unter Zusendung eines Entschuldigungs- Weihnachtspaketes nunmehr 39 % Zuckergehalt an.


Warum eigentlich immer so viel ? Weil wir alle geschmacksblind sind und sonst nicht merken würden, dass der Keks, die Schokolade, der Ketchup, die Limo, der Salat nicht salzig schmecken soll ? Nö. Sondern weil Zucker als billiger und daher sehr beliebter FÜLLSTOFF fast aller Lebensmittel dient. Billiger als Kakao, billiger als Korn oder gar Kerne. Wer als Hersteller wie als Konsument Geld sparen will, der kauft natürlich Zucker. Win-win. Mindestens. Na denn mal shake hands alle miteinander.


Hat doch echt alles keinen Sinn mehr mit dieser globalen Lebensmittel- Verschwörung. Die sind mit ihrer ewigen Propaganda vom naturgegebenen Recht auf ein selbstbestimmt versüßtes Leben irgendwie nicht viel anders drauf als die Waffenindustrie. "Nein heißt Nein", sollte man denen mal erklären : Nein, wir wollen uns nicht länger belügen lassen von Euren Lebensmittel- Attrappen ! Wenn wir Haferkekse kaufen, dann soll da viel Haferkorn drin sein, leicht gesüßt; -- und nicht Zuckerbrettchen mit einer aus Namensgründen leider nicht noch geringer portionierbaren Prise vorbeigerannter Haferkrümel. Die Hersteller kaufen schließlich selbst auch kein mit bunten Maschinenbildern beklebtes leeres Fabrikgebäude.

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Was abschließend erwähnt zeitlich auch keinen Sinn mehr hatte, war mein Vorhaben, 2017 bebildert nachzuholen. Hab´s verpennt, verARBEITET und nunmehr verlassen. Ok, dann versuche ich´s dieses Jahr wieder. Was ? Mich endlich mal schriftlich zeitgemäß ausdrücken zu lernen. Vielleicht schaffe ich ja wenigstens das. 

ghostwriter.berlin




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14.01.2018


So, Leute, ich werde das zeitdruckbedingt einfach mal machen wie die Bild- Zeitung. Anstelle langen Gelabers bezüglich des viel zu schnell im Meer der Zeitlosigkeit verflossenen Jahres 2017 packe ich ein paar Bilder rein und ergänze diese jeweils mit ein paar Buchstaben, denen sich zumindest latent ein auch dem leseunwilligen Bürger erschließender Sinn entnehmen lassen mag. C u in Kürze :)



25.11.2017


So geht´s ja nicht. Das Jahr ist fast schon wieder vorbei, bevor ich überhaupt das alte Notebook aufklappen konnte, um Euch hier mal wieder was zu hinterlassen. Gestern erst Weihnachten, jetzt schon wieder. Vor lauter Feiern komme ich nicht mehr zum Schreiben. 

-> Beschlossen und verkündet : Termin zur schriftlichen Einlassung bezüglich des bisherigen Geschehensablaufes des Gesamtjahres 2017 wird festgelegt auf Mittwoch, den 06.12.2017, spätestens  23:59 Uhr. Das persönliche Geschreibsel des Autors wird angeordnet, im Falle der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung ist ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- € -- ersatzweise Ordnungshaft -- zu verhängen. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, Widerstand seit 1968 sogar dann zwecklos, wenn er mitunter Aufsehen erregen mag.

 

 

 

 

cemartin berlin lektorat ghostwriting - 1968er

(Ausschnitt aus der ehemaligen Westberliner Zeitung "Nachtdepesche" vom 05.09.1968; hervorgehobene Gestaltung : "Klau mich", Trikont Verlag 1977, drittletzte Seite.) 


Nachtrag 06.12.2017 : 

Frist wurde auf Antrag des Betroffenen wegen Terminkollision verlängert auf den 31.01.2018.

Beschlossen und verkündet

Lachberg, Vorsitzende Richterin am Landesschreibgericht.






23.12.2016


cemartin berlin lektorat ghostwriting - nach LKW

Passende Worte zum Massaker auf unserem Breitscheidplatz finde ich nicht. Längst abgenutzt alle Phrasen, die von Gedanken und Gedenken berichten wollen. Sie verhallen allmählich ungehört wirkungslos im großen verschatteten Raum allgemeiner Verunsicherung.

Für die aus dem Leben geschiedenen Opfer kommt unsere Sorge zu spät, findet unsere Anteilnahme keine Ansprechpartner mehr. Doch wie es wohl jenen Menschen ergangen sein mag, die körperlich überlebt haben, sich innerlich jedoch dem Tode verbundener fühlen als dem Leben, lässt sich zumindest nachempfinden.


"Blau. Violett. Schwarz. Das ist alles. Mehr gibt es nicht. Nicht mehr. Als Katja von uns ein Selfie machte mit dem Turm der Gedächtniskirche im Hintergrund, lachten wir unaufhörlich, weil es so kompliziert schien, die gelb leuchtende Uhr draufzubekommen. Wir schafften es schließlich unter seltsamen Verrenkungen, indem wir das Smartphone fast auf Bodenhöhe schräg nach oben blickend hielten. Das Knipsgeräusch konnten wir bei dem allgegenwärtigen Lärm gar nicht hören, also drückte sie einfach so oft, bis wir uns ganz sicher waren. Überall dieser Geräuschpegel von lauten Gesprächen, grellen Weihnachtsliedern, brausenden Autos und dann klirrenden Flaschen. Irgendwo musste ein Idiot was Schweres fallengelassen haben, was krachend zu Boden ging. Dann schrien irgendwelche Leute wild herum, die sich mal wieder stritten. Oder schon schlugen. Die Atmosphäre war nicht mehr so ausgelassen wie vorhin, eher kippte sie schon. Die Schatten veränderten sich schlagartig, wahrscheinlich weil einige Leute irgendeinen Dieb verfolgten. Sie rannten an uns vorbei, Katja blickte genervt hinter uns und schrie jetzt auch. Ich folgte solidarisch ihren Blicken und sah eine schwarz-silberne Wand direkt hinter uns. Sie röhrte wie ein Untier aus einem Phantasystreifen. Ein roter feuerspeiender Greifvogel war in der Mitte dieser Wand platziert. Die Wand schob Hitze vor sich her und jetzt auch uns. Sie blieb nicht stehen, sondern beeilte sich, uns mitzunehmen, sich über uns zu setzen, während sie versuchte, links und rechts von uns mitzunehmen, was herumstand und davonlief. Wir rannten. Ich hielt Katjas Hand ganz fest, als sich ein Holzbalken in meine Jacke bohrte und mich ruckartig stoppte. Die schroffe Ecke der Wand schob mich gegen das Holzhaus und zerquetschte meinen linken Arm, der noch immer ihre Hand hielt. Ich hätte ihre Hand nicht festhalten dürfen. Sie geriet unter die Ecke, unter die unterste Trittstufe, unter den ersten großen Reifen dieser seelenlosen Maschine, bevor sie weiterrennen, weiterstolpern konnte. Inmitten der allgegenwärtigen Geschreikulisse sah ich im flackernden Halbdunkel den Reifen auf- und niedergehen, hörte ein dumpfes Knacken, sah kaum noch etwas inmitten der vielen dunklen Felder, inmitten der beissend stinkenden Dieselqualmwolke, sah hindurch das nächste Rad über den Ort rollen, der schon vom ersten Reifen geplättet worden war, hörte nichts mehr, nicht mal mehr meine eigenen Schreie, sah nur noch dahin, … wo … Katja war. Kartons, Bretter und Kabel fielen auf ihre Kleidung, unter der sie noch immer sein musste. Die nächsten drei Räder rollten knapp an dem unkenntlichen Haufen vorbei, und gaben schließlich der Festbeleuchtung Gelegenheit, das Werk der schwarzen Wand zu erblicken. Meine linke Hand ignorierte jeden Befehl, meine rechte riss alles beiseite, was Katja wehtun könnte. Ich suchte ihr Gesicht. Und fand es nicht. Ich erkannte den oberen Teil ihres zerrissenen weißen Mantels. Ich hatte anzuerkennen, dass das, was sich darüber befand, ihr Gesicht … gewesen sein musste. Schwarz umrahmt, blau und violett schimmernd, einem Rinnsal roter Flüssigkeit sich öffnend, einer grauen wabernden Masse Austritt gewährend. Luftbläschen fanden sich darin, kleine zarte Dampfschwaden stiegen auf in die klirrende Kälte. Ich kniete und starrte. Egal warum, egal was war oder sein würde – aber vor mir lag der Rest eines Menschen. Des EINEN Menschen. Es gab nur diesen einen lieben, bewundernswerten, herzlichen, intelligenten, schönen, tapferen, humorvollen, sympathischen, selbstlosen Menschen. Und jetzt gab es ihn nicht mehr. Ausgelöschtes Licht, entrückt in unendliche Ferne. Das konnte doch gar nicht sein. Uns umgaben allmählich andere Leute, die mich in eine von diesen dünnen silbergoldenen Rettungsdecken hüllten und Katja mit einer anderen solchen Decke … zudeckten. Blau reflektierte alles, ich wurde irgendwas gefragt, mir wurde irgendwas gesagt, ich wurde irgendwohin getragen. Katja sollte mitkommen, aber Katja wurde nicht weggetragen, auch dann nicht, als sich die Tür eines grell weiß erleuchteten Raumes zwischen uns schloss. Irgendwohin wurde ich gefahren, irgendwas wurde mit mir gemacht, irgendwann wachte ich auf und überlegte … und hörte nicht mehr auf zu schreien, bis ich einen stechenden Schmerz spürte, bis alles dunkler wurde, dunkler, erst blau, dann violett, dann schwarz. Hoffentlich für immer.

Heute scheint die liebe Sonne. Sie scheint mir zu hell. Ich hoffe, sie weiß, wo Katja jetzt ist. Und ich hoffe, ich darf sie eines Tages wiedersehen. Möglichst bald. Am besten sofort.

Es ist so dunkel."

  

 

 

 

 

cemartin berlin lektorat ghostwriting - LKW2



 




13.08.2016


 

cemartin berlin lektorat ghostwriting - mystic

Heute ist der 13. August. Damals begann sich völlig unbeabsichtigt, eine Mauer durch unser Land zu bauen, die -- aus der Perspektive des Milliarden Jahre alten Universums -- kurz darauf wieder abgerissen wurde. Trotzdem brachen weitere Kriege aus, Hochhäuser stürzten ein, Seuchen griffen um sich, Milizen der Finsternis metzelten fließbandartig alle nicht ihrer dämonischen Gottheit huldigenden Opfer gewissenhaft nieder, verzweifelte Menschen aus im Chaos versinkenden Regionen schwammen, fuhren, liefen, flogen -- flohen an und über die Grenzen wohlständiger Gebiete dieses Planeten, während der Menschheit im Kampf mit ihrem naturfeindlichen Weltbild einer genußverpflichteten Ökonomie die Zeit bis zum Meltdown unaufhaltsam zu entrinnen im Begriff war. 

Und vorgestern erhielt ich eine Einladung für einen High-Class-Nitelife-Event-Location-Club in der Fasanenstraße nahe dem Bahnhof Zoo. 

 

 

 

 

cemartin berlin lektorat ghostwriting - low budget

Ja, eben jener, DER Zoo, volksmundlich nicht weiter abkürzbar. Dieser nicht unbedingt sparsam beleuchtete Ort entwickelte sich im Laufe der letzten Jahrzehnte von einer Spielwiese drogenabhängiger minderjähriger Mädels ohne Obdach wie Christiane F. hin zu einer Liegewiese zahlreicher Menschen aller Altersklassen aus allen Berliner Stadtteilen wie auch zahlreicher Länder dieses Planeten. Die meisten von ihnen liegen oder stehen bei der Stadtmission an, um Leckerlis abzuholen, doch nicht wenige legen sich vor und nach den Mahlzeiten auf eine der Müllmatratzen, die es gleich um die Ecke unter den Bahnbrücken gibt; einem großen Freiluft- Aufenthaltsraum mitten auf dem Gehweg neben der Fahrbahn, wo Tag und Nacht geschlafen, nicht elektronisch gechattet und real dahingedämmert wird.

Weil mir mein Wohnungsflur zu dämmerig erschien, schaltete ich ausnahmsweise trotz aller Sparsamkeit, um die mich Dagobert Duck kostenlos beneiden würde, die rostig- orange Deckenlampe von 1974 ein. Mein Spiegelbild ließ dennoch keinen Zweifel : Dort stand nicht etwa Lamborghini- Klaus oder Mr. Rosebudd, seines Zeichens Zuhälter, nein, -- dort stand ich selbst. Umhüllt von einem dunklen langen Angora Schurwolle- Mantel, den ich in Ermangelung meiner schon vor Jahren als nutzlos dem Altkleider- Container anvertrauten Jackets sowie des coolen, aber ebenso nutzlosen Columbo- Trenchcoats alternativlos anzuziehen hatte. Einen Wollmantel Im August. Darunter das einzige weiße Knopf- Hemd meiner Wohnung, sozusagen eine Rarität ersten Ranges, gleichwohl ohne jeden Sammlerwert. Die mühsam entstaubten schwarzen Glattleder- Schuhe nicht zu vergessen, deren Kratzer ich mit einer undefinierbaren Masse aus einer wiedergefundenen Collonil- Tube provisorisch auszubessern mich bemühte, ehe ich schlichtweg auf die abendliche Dunkelheit zu setzen hatte. Zusammen mit der nicht auf den ersten Blick als second- hand zu entlarvenden schwarzen Jeanshose ergab sich ein aus meiner Sicht bestürzendes Bild der Entfremdung. 

cemartin berlin lektorat ghostwriting - JTBrücke

Derart verkleidet begab ich mich zum Einsatzort. In Unkenntnis des sicher betont geheimnisvollen Begrüßungsrituals für Insider bei Ankunft am oberhalb eines auf breiten Stufen hinabführenden seichten blau illuminierten Wasserfalls angesiedelten Erstaufnahme-Zelt gab ich vorsichtshalber lediglich meinen Namen an. Einer der von gut gebildeten Security- Experten bewachten Rezeptionisten schaute in eine Datei auf seinem Smartphone, das nur wenige Jahre jünger zu sein schien als er. Schließlich gab er seiner sogar noch jugendlicher wirkenden Assistentin den Hinweis, mich doch bitte dem VIP- Bereich zuzuordnen. Ausgestattet mit dem farblosen Druck eines irgendwie unpassend primitiven Holzstempels folgte ich den gewandten Schritten meiner modelartigen Begleiterin und wurde schließlich zu einem modernistischen Ensemble flacher weißer Kunststoff- Tische und relativ unbequemer weil sparsam konstruierter Design- Hocker geführt. Mich bedankend, wurde ich sogleich von ArbeitskollegInnen umarmend begrüßt, die ich im Halbdunkel erst mühsam wiederkennen musste, allzusehr hatte mich deren wahrlich elegantes Erscheinungsbild abgelenkt. Und es kam, wie es kommen musste. Ich hatte nur wenige Minuten Zeit, meine neue Umgebung in Augenschein zu nehmen, denn schließlich war ich ohnehin viel zu spät dran gewesen. Nein, anstelle behutsamer Versuche einer Gewöhnung an verschwenderisch übermäßigen Schalldruck und sich wohl an meinem eigenen Beispiel der Sparsamkeit orientierte Lichtverhältnisse wurde ich verschleppt auf eine sogenannte Tanzfläche, die sich jenseits der Bar am Ende eines tunnelartigen Durchganges eröffnete. 

 

 

 

 

cemartin berlin lektorat ghostwriting - pearl1

Ungefähr 250 sichtbar bewegte Personen besetzten diese Fläche von der bescheidenen Größe eines 60er Jahre Supermarktes. Nicht vorbei an unzählbar vielen rhythmisch umherschwankenden Körpern, sondern mitten durch sie hindurch bahnten wir uns unter Aufbietung aller körperlich- emotionaler Kräfte etwa 15 Minuten lang einen wenige Zentimeter und insgesamt immerhin sogar 10 Meter langen schmalen Pfad auf Füßen, die weder im Dunkeln noch innerhalb der Zahllosigkeit anderer Füße wiederzufinden waren. Irgendwo in einer zentralen Region im Herzen des undurchdringlich tanzenden Dschungels machte unsere Expedition schließlich erschöpft Rast und verbrachte dort eingeschlossenermaßen eine ganze Weile, während wir weder unser gegenseitig direkt in die Ohren getrichtertes Geschrei verstehen konnten, noch uns mangels verfügbaren seitlichen Bewegungsspielraumes mit Händen und Füßen verständigen konnten. Ich solle einfach mitmachen, schien die an mich gerichtete Message gewesen zu sein. Nicht tanzen könnend und dies zuvor rechtsverbindlich bekanntgegeben, schaute ich also, was mir vorgemacht wurde. Die mir gewährten Beispiele ahmte ich mühsam unbeholfen nach. Sich loslassen und einfach in den Klang hineinfallen zu sollen war das Idealbild, dem ich schon allein deswegen nicht folgen konnte, weil dieser Klang meine Ohren zu fortwährender Meuterei veranlasste. Nur durch ein strenges Regime gelang mir, meinen auriblen Aufstand niederzuschlagen. Die techniküberladene Decke des flachen Saales mit ihren unsichtbaren, dennoch unüberhörbaren Lautsprechern war nicht weit entfernt, und die knallharten Beats auf Zwei und Vier zerschellten in meinen Gehörgängen wie Autos an Betonwänden. Umarmend, Sirtaki zu vom DJ gemixtem hardcore RnB tanzend, Bierflaschen schwenkend, Arme wedelnd, schunkelnd, sich abklopfend, Tangospiralen mit fremden Leuten gemeinsam drehend, wilde Steinzeitlaute von sich gröhlend; und mittendrin -- ich mit einem leeren Orangensaftglas. Ja, dachte ich, so muss es damals ausgesehen haben zu zeiten Sodoms und Gomorrhas. Mich dem übermächtigen Generalangriff auf mein geistiges Oberhaupt dennoch ergebend, ertappte ich mich bald dabei mitzusingen, so laut ich nur konnte : "Willst Du mit mir Drogen nehmen ?" Irgendwann kamen auch noch "Girls just wanna have fun" und thematisch eigentlich unpassenderweise der "Son of a preacherman" dran; selbstredend in zeitgemäß getunten Clubversionen. Es dauerte aber nicht lange, bis ich meine Stimme schon deswegen nicht mehr hören konnte, weil sie nicht mehr da war. Schreien war mir schon immer fremd gewesen, und an jenem Abend vermochte die bizarre Exotik schöner Körper inmitten einer lebensfeindlichen Umgebung neben der rein physischen Beanspruchung in relativ kurzer Zeit, mir zwar nicht meinen Verstand, immerhin doch meine Sprache zu rauben. Ich entschied mich schweißgebadet mit letzter Kraft, einen Ausfall zu unternehmen und machte mich auf den Weg in die Himmelsrichtung des vermuteten Fluchttunnels, durch den wir einst gekommen waren. Weil es mir aus strategischen Gründen aussichtsreicher erschien und weniger körperliche Verluste versprach, wandte ich mich in raffinierter Taktik doch zunächst dorthin, wo sich der weniger dicht besiedelte Rand der Tanzfläche befinden musste. Von dort aus sollte es einfacher sein, mir den Weg zum Tunnel freizubaggern. Mehr als 30 Entschuldigungen und Sorrys später erreichte ich alsbald einen Ort, der meinem Vorhaben günstig gelegen zu sein schien. Zwischen mehreren Schönheiten und einer gläsernen Barriere sollte meinen komplexen Berechnungen zufolge möglich sein, einen Durchbruchsversuch entlang des Glases erfolgreich zu bestehen. Plötzlich ergriff mich eine dieser Schönheiten energisch und zog mich von der Barriere weg. Wollte auch sie mich verschleppen, etwa zurück in die unbarmherzige Zentralregion ? Zugegeben, gemeinsam mit ihr wäre es mir plötzlich ganz leicht gefallen. Aber nein, sie wollte nur ihr auf dem Boden abgestelltes strohalmhaltiges Glas vor mir schützen, das ich selbst bei näherem Hinsehen im 90%igen Dunkel kaum mehr erahnen, geschweige denn dessen Inhalt entziffern konnte. Fast schon bedauernd, riss ich mich dennoch zusammen und rief mir das Ziel meiner Mission erneut vor Augen : "We gotta get out of this place !" Es dauerte nur drei Minuten -- umgerechnet zwei Meter --, bis meine Augen anerkennen mussten, die falsche Richtung gewählt zu haben. Also kehrte ich um und nahm mir vor, nunmehr weitaus rücksichtloser vorgehen zu wollen, um nicht erst relativ tot mein Ziel zu erreichen. So bahnte ich mir rigoros meinen Weg entlang der Glasbarriere -- und wurde erneut fortgerissen von der Schönheit. Diesmal verfluchte sie mich, denn ich hatte ihren Undercover- Drink tatsächlich verschüttet. Inmitten der roten und blauen Blitze, die die Myriaden feinster Leuchtfäden von der Decke herabregnen ließen, wähnte ich mein Ende vorzeitig gekommen. 

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Da erschien mein Lebensretter, ein unspektakulärer dicker Mann mit platzend engem Hemd. "Ich hol was neues," kicherte er und entließ mich. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und wagte nunmehr den allerdirektesten Fluchtweg mitten durch den ekstatisch aufgeheizten Dschungel der tanzenden Besinnungslosigkeit. In Gesichter blickend, die mich verstört, fassungslos, entrückt, betäubt, fasziniert, suchend, wehklagend anschauten, an Kleidungsstücken vorbeigleitend, die alle zusammen ein mehrfaches der Jahresmiete für meine Wohnung gekostet haben dürften. Den Tunnel in Sichtweite, beschleunigten sich meine nur handbreitgroßen Schritte noch einmal. Dort standen vornehmlich Männer gestandenen Alters und jeder gehobenen Preisklasse, wohl auf Anträge oder Geschäfte aller Art wartend. Heiraten wollte ich sie jetzt trotzdem nicht. Der Tunnel, der Tunnel, der TUNNEL -- ihn erreichte ich schon vor Morgengrauen. Entlanghechtend durcheilte ich ihn, selbstverständlich darauf bedacht, nicht eilig zu wirken. Die Lounge, sie gewährte mir Zuflucht und ein bis vor kurzem unbekanntes Maß reduzierter Lautstärke. Allmählich trafen meine Kameraden ein, die ich bislang nur als ArbeitskollegInnen angesehen hatte. Da Gespräche aller Art angesichts der auch hier noch überdimensionalen Beschallung ohnehin nicht möglich waren, beließ ich es bei meinem lautstarken Glückwunsch dem Argentinier gegenüber, der meine hübsche Kollegin geheiratet hatte und deren Abschied Anlass der heutigen Einladung gewesen war. "Take care of her -- she has a good heart !" Die Botschaft schien angekommen zu sein. So verabschiedete auch ich mich dankbar und freundlich, um den Rückzug in die Stille antreten zu können. 

 

 

 

 

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Draussen plätscherte dem Anschein nach das Wasser noch immer über die Stufen, soweit meine rauschenden Ohren es erahnen ließen.

Draussen fragte mich ein bärtiger Einkaufstütenträger obdachlosen Erscheinungsbildes, ob ich ihm ein paar Cents geben könne.

Draussen wurde mir gewahr, wie kostbar normaler Straßenlärm sein kann.

Und draussen konnte ich zumindest ansatzweise nachempfinden, wie sich wohl die Tunnelbauer gefühlt haben mussten, die damals die Mauer erfolgreich untergruben. Damals, als es noch keine Clubs und keine Elektronik gab. Just handmade. Damals, als unsere Stadt noch in Lebensgefahr war. 

Früher war nicht alles besser als heute.


 

cemartin berlin lektorat ghostwriting - bauhund

 

 

 

 

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14.02.1996 ... ähm 2016 !!


 

Wie komme ich denn plötzlich auf 1996 ?! Wahrscheinlich bin ich einfach zu langsam für die Zeit, ständig überholt sie mich ...

Kürzlich hat mich ja schon die Bundeskanzlerin in Pankow überholt,

cemartin berlin lektorat ghostwriting - bundesaudi

hartnäckig verfolgt von rasanten Personenschützern.

 

 

 

 

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Sie tat mir fast leid, so ganz verloren in der großen geräumigen gepanzerten Limousine, einzig ein junggebliebener Chauffeur leistete ihr Gesellschaft, doch sie hatte ohnehin keine Augen für ihn, sondern widmete ihre ganze Aufmerksamkeit irgendeinem Etwas, das sich in Höhe der Vordersitzlehnenunterkante befunden haben musste. Vielleicht ihr abhörbares Handy, oder eine eXXXtrem geheime Akte; -- vielleicht aber war sie einfach nur vor Erschöpfung eingenickt.


 

Eingenickt war übrigens auch der Typ, den ich auf dem Weg zur Weihnachtsfeier in der Kantstraße herumliegen anzusehen hatte.

cemartin berlin lektorat ghostwriting - kantgehweg

Tot war er nicht, das verriet mir sein grunzendes Geschnarche, aber Ihr könnt Euch vorstellen, wie mir das Weihnachtsgelage so gar nicht mehr schmecken wollte. 

Manche Leute überholen sich selbst, indem sie sich betrinken, bevor sie klar denken können. Auch wenn es gefühltermaßen schon angesichts der wenig erfreulichen weltpolitischen Lage immer mehr solcher bedauernswerten Menschen zu geben scheint, werde ich mich nie an ihren Anblick gewöhnen können.


Sehr klar denken konnte hingegen meine betont aufmerksame Fahrschülerin gestern Vormittag. Ja, in der Fahrschule bin ich noch immer stundenweise tätig, aber nur noch als Hobby (gibt es eigentlich ein echtes deutsches Wort für diesen vollends eingedeutschten Ausdruck ? Vermutlich "Steckenpferd" oder so ... naja, äähm -- darauf kann ich dann doch gern verzichten ... :D ). Weil sie nun unbedingt gemeinsam mit ihrem Freund nach Österreich fahren will, und er immer tendenziell um die 200 km/h fährt, wollte sie es wenigstens genauso gut können. Also gut, dachte ich mir, ist nicht mein Ding, aber wenn sie es schaffen sollte -- ok, mal ausprobieren. So, und nun soll mal einer sagen, Frauen könnten nicht autofahren; wir haben immerhin sogar ´nen uralten 911er abgehängt :

 

 

 

 

cemartin berlin lektorat ghostwriting - fahrschule

Manch bestürzte Blicke von überholten FahrerInnen waren recht amüsant. Das erste Mal, dass ich fast traurig war über die Drehzahlbegrenzung.

Überholen kann Spaß machen. Bis ein Reifen platzt, womit ich u.a. den FahrschülerInnen immer wieder den Sinn der Autobahnrichtgeschwindigkeitsverordnung (-> 130 km/h) erkläre. Nicht alles, was man tun KANN, sollte man auch tatsächlich umsetzen. 

Dahingehend mag jeder von uns sein Verhalten immer wieder selbstkritisch überdenken und sich von objektiv längst überholten Rollenbildern oder Leistungsvorbildern befreien. 

Wenn die Welt endlich mal aufhört, wettkampfartig herumzurennen, werden auch Typen wie der in der Kantstraße nicht mehr abgehängt.


 

 


 



28.08.2015


 

"Wir würden uns freuen, Sie für unser Unternehmen gewinnen zu können !" -- Mit dieser unerwartet edlen Wortwahl beendete mein zukünftiger Arbeitgeber meine sogenannte Karriere als Fahrlehrer.

Vorbei die Zeit, auf Minuten zu achten, auf im Wortsinne "Augen- Blicke" der Fahrschüler, auf sich im Zeitraffer anbahnende Unglücke. Ich werde meine lieben FahrschülerInnen wirklich vermissen, ja. Andererseits bin ich nun entronnen der Zeit latenter Lebensgefahr und potentieller Haftungsrisiken; auch bürokratische Winkelzüge und zahllose (!) unbezahlte Nebenarbeiten kann ich endlich getrost zu den Akten legen.


 

Gestern früh sitze ich in einem gutbürgerlichen Wilmersdorfer Park und warte 20 Minuten lang auf meine verspäteten Kollegen. Gut bezahltes Nichtstun mitten im grünen Sonnenschein -- eine ganz neue Erfahrung in meinem Leben. Während ich auf meiner unpassend ungepflegten Bank versuche, nichts zu tun, bemerke ich, dass es sogar noch andere Menschen außer mir gibt. Sie sind hier, mit mir, -- mitten im Park. Sie rennen. Nein, nicht zur Arbeit, sondern ... ähm ... ja, wohin eigentlich ? Es scheinen ausschließlich wohlverdiente Leute zu sein, die ihr scheinbares -- zugegeben, mitunter tatsächliches -- Übergewicht abarbeiten wollen; die vielleicht eher versuchen, davor zu flüchten. Morgens um 9 flüchten die und sehen dabei hochentspannt aus. Sie flüchten und wirken dabei so seltsam siegesgewiss; so berauscht von ihrer mit jedem Schritt zunehmenden sexuellen Attraktion; so erfrischt von den in unfassbarer Anzahl aufgestellten Rasensprengern; so ergriffen von innerer Ruhe. Paarweise elegant dahinjoggend, sich über Rezepte unterhaltend, sich über raffinierte Erfolge amüsierend, sich gegenseitig Mut machend im Bewusstsein, keiner Gefahr je zu begegnen, die das Bankkonto nicht bewältigen könnte. 


 

Gestern früh wurde in Österreich ein LKW gefunden, der 71 verwesende Leichen barg. Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge. Ungekühlt, unausgeruht, unfinanziert, nie angekommen in einer ohnehin abgebrannten Flüchtlingsunterkunft. Verzweifelt gehofft, bange riskiert, eiskalt betrogen. 

Erfolgreich tot. In Europa 2015. 

Manchmal reichen Tränen nicht, manchmal braucht es Wut.


 

cemartin berlin lektorat ghostwriting - park aue


 


 


 

 


 


 

17.05.2015


 

Sein, oder nicht sein, frage auch ich mich manchmal. Nein, nicht der Tod ist´s, der mich zu dieser Fragestellung anregt, sondern der Wahnsinn. Ich überlege also manchmal, ob ich sie nicht alle habe. 

Vor ein paar Tagen habe ich anlässlich mehrer Situationen auf den Straßen unserer anarchieverliebten Weltstadt in einem Anfall weltfremder Umnachtung geglaubt, es gäbe kein Leben mehr ohne DashCam, und so kaufte ich eine, natürlich ungebraucht originalverpackt ungetestet zu einem total günstigen Preis von einem total privaten Typen. Später bemerkte ich in meiner Aufgewecktheit, dass das Gerät ja gar kein Display hat und in Südkorea vermutlich zu einem Preis hergestellt worden war, der noch unter dem eines nagelneuen Hamburgers liegen dürfte. Nach diverser Fummelei war mir der Appetit vergangen und ich reklamierte die Kiste unter dezentem Hinweis auf §§ 312b, 356 ff. BGB bei dem Undercover- Händler, woraufhin eine völlig niemals je zu erwartende Funkstille seinerseits sich ausbreitete. 49 Euro verschenkt. 

Einen Tag später kaufte ich im vermutlich größten Erika-Röchelt [Name von der Redaktion geändert]- Supermarkt der Welt an der Wiesbadener Ecke Mecklenburgische Straße in Wilmersdorf ein paar faire Schokokekse und eine Packung Recycling- Klopapier. Nein, beides war nicht in Südkorea hergestellt worden. Aber es war spätabends und trotzdem voll an den wie abends immer zu wenigen Kassen. Ok, dachte ich, warte ich einfach hinter so einem unscheinbaren Touristen. Kurz bevor ich dann nach gefühlten zwei Stunden meinen schweren Großeinkauf endlich auf das Band hätte legen können, indem ich die Artikel des Touristen raffiniert komprimieren wollte, rief er seine offenbar an anderen Kassen zeitgleich wartenden Kumpels, Familienangehörigen oder -- treffender -- Komplizen herbei, weshalb nun plötzlich weitere vier Leute lachend vor mir standen. 

Es dauerte nicht lange, da gesellte sich jemand vom Typ "harter Heizungsmonteur" hinzu, jemand, der vermutlich auf sein Auto als Internetadresse "HeizungImArsch.de" schreiben würde. Irgendwann bemerkte sogar ich, dass er sich allmählich an mir vorbeizuschieben drohte. Es war spät, und ich brauchte die Kekse, daher wies ich ihn höchst diplomatisch an, doch bitte hinter mir warten zu wollen. Der dann folgende kurze Wortwechsel sei hier wörtlich wiedergegeben :

"Achso, du meinst, du warst vor mir, ist ja interessant ..."

"Äh ... ja, das war ich wirklich."

"Und warum warst du dann nicht hier, als ich kam ? Ich hab dich hier nirgendwo gesehen ... hmm ..., aber wahrscheinlich hast du dich kurz mal unsichtbar gemacht. Bist´n Zauberkünstler oder so. Ist ja voll geil. Und jetzt willst du also, dass ich dich vorlasse, ja ?"

"Cooler Kommentar, aber ich war vor Dir, also wäre es nett, wenn Du Dich hinter mir anstellst." 

"Weißt du was -- ich lass dich heut mal vor."

"Ist voll nett von Dir."

"Jaja ... so sind wa ..." erwiderte er zischend mit seiner bedrohlich verrauchten Stimme; mich anschauend, als sei einem Südstaaten- Sheriff aus dem 18. Jahrhundert soeben ein entlaufener schwarzer Sklave in´s Netz gegangen; während er offenbar überlegte, ob er ein Küchenmesser aus dem Haushaltswaren- Regal holen sollte, so ein schönes, langes, stabiles ...; -- ja, es fühlte etwas unbehaglich an, ausnahmsweise vorgelassen zu werden.

Bald schon, etwa nach weiteren gefühlten zwei Stunden, war ich am Ziel : der beleibten / behaarten Kassiererin Frau Z, die schon die ganze Zeit zurückgelegten Hauptes ein merkwürdiges Grinsen auf den Lippen trug. Endlich würde sie meine Kekse und mein Klopapier abfertigen, ich zählte schon die letzten Sekunden bis zur großen Kekspackungseröffnung. Da wandte sich Frau Z von mir ab und stattdessen nach links einer völlig fertigen Frau zu, offenbar einer Kollegin. Wortlos registrierte sie deren Privateinkauf, während die Kollegin erschöpftermaßen ein paar belanglose Worte der Freundlichkeit veräußerte. Frau Z war jetzt auch mit ihr endlich fertig, nannte die im Kopf ausgerechnete Endsumme nach Abzug des Personalrabatts, ließ sich Geld in die Hand schütten und wollte einen handsignierten Kassenbon mitgeben, der mit der Floskel "Schön Feiaahmt, Zappi" abgewehrt wurde. Frau Z zögerte kurz und zerknüllte daraufhin verzerrten Gesichtes den Kassenbon gründlich. Jetzt war ich dran, zumindest meine armen kleinen Sachen. ZACK, waren sie abgefertigt. Ich wollte ihr sodann vier Euro in die Hand schütten, die sie in meine Richtung ausgebreitet hatte. Die ersten beiden Geldstücke ließ ich aus meiner Hand die letzten 10 Zentimeter dorthinein fallen, doch Frau Z schaffte es geistesgegenwärtig, ihre Hand rechtzeitig wegzuziehen, woraufhin die Münzen klimpernd auf das ewig eiskalte Metall darunter fielen. Erstaunt blickte ich sie an : Sie grinste jetzt wieder zufrieden und sammelte die Münzen sorgsam auf. Die anderen beiden Münzen wollte ich noch sorgsamer in die erneut bereitgestellte offene Hand fallen lassen und verringerte den Abstand auf drei Zentimeter. Die Hand jedoch, sie entließ die kaum berührten Münzen erneut auf das Blech. Frau Z war nun irgendwie hocherfreut und sammelte die Münzen wieder auf. Jetzt war auch der Heizungsmonteur erstaunt. Zappi knallte dann das Rückgeld auf die kleine Plastikschale und bot mir siegesgewiss einen Bon an, den ich mich vorsichtshalber überfreundlich verabschiedend annahm und mich eilig entfernte.

Und morgen werde ich dem Händler seine originalverpackte DashCam an seine Wohnungstür hängen, ohne weiter mein Geld zurückzufordern. 

Bin ich der einzige, der nicht alle hat ?     


 


 


 

12.04.2015

Berlin lässt sich jeden Tag auf´s Neue als eine Stadt der Gegensätze feiern. Ok, das hört sich jetzt ziemlich überheblich an, denn auch andernorts gibt es selbstverständlich vielfältige Kontraste im Leben; etwa morgens Sonnenschein auf dem Acker, mittags Hagel beim Schützenfest, abends Bier in der Kneipe, nachts Landstreicher aus der Scheune verjagen. Für meinen Geschmack wartet unsere sich gern überschätzende Mutterstadt hingegen mit etwas zu großem Kaliber auf. Beispielsweise wird bei uns rund um die Uhr alle vier Stunden ein Fußgänger in einen Verkehrsunfall verwickelt, tagtäglich wird mindestens ein Leut oder ein Geschäft unfreundlich überfallen wegen ein paar Mark, irgendwo brennt´s immer, alle paar Tage lässt sich ein Mordopfer auffinden, Graffiti-Tags / Lärm / Dreck / Gestank überall; -- während nebenan in Markenklamotten joggend, exklusiv shoppend, FairTrade- Kaffee trinkend, Fernsehfilm drehend, Maserati ausfahrend brutalste Idylle herrscht. Irgendwie schaurig.

Vor ein paar Tagen bemerkte ich spätabends, dass im Hauseingang der Potsdamer Straße 186, einem sehr alten leerstehenden Bürogebäude, nicht etwa nur 30 schwarze Müllsäcke seit Monaten lagern, sondern mitten darin ein Obdachloser ... ähm, "lebt" ?! Wohl eher "vegetiert". Ein paar hundert Meter entfernt von den den vermutlich oftmals zwangsweise anschaffenden Straßendamen oder dem kultigen Crellestraßen- Kiez sitzt da einfach eine schweigsame alte Person inmitten von Müll vor unzähligen leeren Konservendosen, in die er leeren Blickes hineinschaut. Ganz sprachlos war ich nicht, sondern bot ihm als eigentlich absurde Geste der Nutzlosigkeit ein paar Süßigkeiten an, weil ich sonst nichts dabei hatte. Ohne Worte hob er seinen linken Arm, führte ihn über seinen Kopf und senkte ihn in geradezu segnender Form senkrecht nach unten. Mehrfach. Sonst nichts als einer abwehrend schüttelnden Handbewegung. So, wie er im Halbdunkel mit seinem lebensgeprägten Gesichtsausdruck aussah, hatte er längst mit dem Leben abgeschlossen und wartete nur noch auf den nächsten Fernbus in´s Nirwana. 

 

 

 

 

cemartin berlin lektorat ghostwriting - potsdamer

Alles Gute wünschte ich ihm unbeholfen und wurde sogleich wieder ohne jedweden Blickkontakt gesegnet. Nichts. Nichts konnte ich für ihn tun. Nichts. Nichts konnte mir diesen Abend noch erheitern.

Wenige Stunden später, früh am nächsten Morgen, bestand Denise ihre Fahrprüfung. Irgendwann wird sie mit ihren Youtube- Videos neben ihren guten Beziehungen zu Film und Fernsehen wahrscheinlich groß ´rauskommen. Und dann, so kündigte sie mir voller Dankbarkeit umarmend an, "kaufe ich Dir Deine eigene Fahrschule !" Ich glaube nicht, dass mir jemand zuvor mal etwas vergleichbar Teures angekündigt hat. Ach naja, ich bin natürlich bescheiden -- mir würde ein Haus auf dem Land genügen :D

Am nächsten Morgen spielten nicht nur alle Vögel ihre schönsten Lieblingslieder, sondern neben dem Auto spielten zwei Amseln Fangen. Ich hätte gern stundenlang zugesehen, aber Arbeitszeiten fangen leider immer viel zu früh an, dachte ich noch, während ich an einem ausgebrannten Auto am Botanischen Garten vorbeifuhr.

Und gestern nachmittag, als Griechenland noch immer überschuldet war und die Skandinavier begannen, sich gegen Russland zu rüsten, hatte ich nach einem pausenlos hektischen Vormittag Gelegenheit, einen doppelten Regenbogen über der Stadt betrachten zu dürfen.


 

cemartin berlin lektorat ghostwriting - regenbögen

-- Ja, wenn doch alles so schön (einfach) wäre. Aber wir können ja weiter daran arbeiten :-)


 

 


 

01.03.2015

 

Am 02.03.1986 gründete ich voller Stolz meine Papierschiffreederei "RWM", die der "KSL"- Konkurrenz meines besten Freundes allerdings weder quantitativ noch qualitativ, geschweige denn innovativ jemals das Wasser reichen konnte. Wir begruben unseren Konkurrenzkampf im Rahmen der allgemeinen Mauerfall- Euphorie um 1990 Wortsinngetreu, indem wir diverse Dokumente und sämtliche Wertpapiere unseres komplizierten Kapitalsystems, das uns letztlich jedweden Enthusiasmus der Gründertage gestohlen hatte, in einer primitiven Keksblechdose am Ufer "unseres" Teltowkanals in Zehlendorf vergruben.

Doch der Aufbruchstimmung in eine One-world- Community folgte ein erster Irak- Krieg, die "Neue Weltordnung" eines gewissen Herrn Bush, der Bürgerkrieg in Jugoslawien und noch viele andere unschöne Ereignisse. Bis zum heutigen Tage. Vermutlich hören die beiden großen widerstreitenden Kräfte unserer Welt erst auf zu streiten, wenn diese Welt in Schutt und Asche liegt. Der Sieger darf dann über wortwörtlich verbrannte leblose Erde herrschen. Denn ganz nebenbei wird die trotz allen natürlichen Reichtums relativ zerbrechliche Lebensgrundlage unserer Menschheit tagtäglich von eben unserer Menschheit mit einer Gleichgültigkeit ruiniert, die an die triebgesteuerte Unbesonnenheit jeder beliebigen Schimmelpilzkultur erinnert : in einen Nährboden eindringen, aufblühend die Nährstoffe aufbrauchen, jämmerlich eingehen.  

Ich hoffe noch immer auf grundsätzliche gesamtgesellschaftliche Fortschritte, doch die brauchen viel Zeit. Ich hoffe, wir haben diese Zeit.

Gar nicht in der Vergangenheit oder Zukunft leben Leute, bei denen kein warmes Wasser aus der Leitung und kein Strom aus der Steckdose kommt, die kein Klo und kein Bett ihr eigen nennen dürfen. Nein, die gibt´s nicht nur in Afrika, die gibt´s gleich hier. Sie sind mitten unter uns, und sie leben. Vegetieren, besser gesagt.  

 

 

 

 

cemartin berlin lektorat ghostwriting - obdachlos

 

Neulich gab ich in meiner Hilflosigkeit einer asiatischstämmigen älteren Dame gepflegten Erscheinungsbildes, die mir in bestem Deutsch ihre Geschichte kurz umriss, während sie ihr Nachtlager in einem Automatenraum der C...bank anrichtete, meine Visitenkarte mit dem Hinweis, sie könne sich jederzeit melden. Ja und dann ? Soll ich sie in meiner kleinen Wohnung aufnehmen ? Keine Ahnung, was ich für sie tun könnte, wenn sie mich darum bitten würde, doch ganz sicher würde ich im Winter nicht ablehnen. Keinen Plan, wie das dann weitergehen würde, aber ich möchte jedenfalls nicht, dass sich jemand durch die Kälte der Nacht quält, während ich im warmen Bett liege -- ganz gleich, weshalb dieser Jemand in seine Situation geraten ist. Schließlich hat nicht jeder so viel Kraft, Selbstdisziplin und Ausdauer, seinen Lebensweg inmitten unserer zivilisierten hedonistischen Erfolgsgesellschaft zu finden.

cemartin berlin lektorat ghostwriting - obdachlos2

 

Mir fiel immer wieder auf, wie einfach sich Menschen offenen Herzens miteinander verständigen und einander helfen KÖNNTEN. Konjunktiv, weil nicht Realität. In der Praxis nämlich fragen wir uns ständig, wie wir das finanzieren sollen, wie es wohl für die Nachbarn aussieht, wie wir das unserem Arbeitgeber erklären können, woher wir die Zeit nehmen, ob wir das überhaupt dürfen, ob wir nicht mal wieder verars.ht werden, etc. usw..  

Impulse sind da, nur werden sie in unserer verkomplizierten erfordernisgesteuerten Welt letztendlich zu oft eingekesselt und ermordet. 

Viel können wir nicht tun. Wir allein können nicht die Armut der Welt lindern und keinen geplanten Weltkrieg effektiv verhindern, weder mit Demonstrationen noch mit Revolutionen. Wir können uns aber zumindest in unserem eigenen kleinen Radius der Familie, der Freundschaften oder des Wohnumfeldes einbringen mit dem wenigen, das wir haben. Wir können auch verzichten auf das, was andernorts zu Armut, Tierquälerei und Umweltzerstörung führt. Das ändert global nichts, aber dafür haben wir ein reines Gewissen. Das ist immerhin weit mehr, als die meisten Akteure auf den religiösen oder patriotischen Bühnen unserer Welt ihr eigen nennen dürfen; Akteure, an deren Händen das Blut zahlloser Menschen klebt, die letztlich für die Durchsetzung irgendwelcher egoistischer Interessen missbraucht wurden.  

Wer sind wir schon ? Nicht die oder der einzelne von uns ist wichtig, sonderen die Entwicklung unserer Menschheit zu einer bislang nicht dagewesenen Welt- Community in Frieden und gegenseitiger Achtung auch der lebenspendenden Natur gegenüber. 

Ja klar, das hört sich jetzt alles total kitschig an, oder ? Hier schaut Euch das mal an, das IST kitschig, aber na und? Lieber voll kitschig als rücksichts- und gewissenlos ... :-)

[Quelle : https://www.youtube.com/watch?v=26J0uDIGErM ] 


"Reunited", doch das passt schon -- denn schließlich sind alle Menschen vor langer Zeit aus ein und der selben Familie hervorgegangen.  

Wir sind tatsächlich alle Geschwister. Keine Schimmelsporen. 

 

MAKE LOVE -- NOT WAR 

 

 

 

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- Update zum 26.01.2015 -

 

 

 

 

cemartin berlin lektorat ghostwriting - die zeit


 








26.01.2015

Neue Gräben werden ausgehoben. Ob hierzulande noch polemisch-rhetorisch oder andernorts mal wieder old-school- militärisch -- es ist unübersehbar, dass unsere Gesellschaften gespalten werden sollen. In alle Ferne sollen jedweder Zusammenhalt, jede Einigkeit und Toleranz rücken, die spätestens das Internet- Zeitalter uns in Aussicht gestellt hat. Ob es das lange angekündigte Chaos vor dem Einsetzen der illuminatorischen Weltregierung ist oder nicht mag dahinstehen, denn wer auch immer insgeheim unsere Welt regieren will, kann uns nicht mehr befehlen, als wir mitmachen. Terrorgruppen, Separationspolitik und Patriotismusheuchelei werfen uns um viele Jahrzehnte gesellschaftlicher Bewusstseinsarbeit zurück, wenn wir nicht gemeinsam gegensteuern, wo wir es jede/r nach ihren / seinen Fähigkeiten individuell können. 

Vielleicht gründen wir auch nebenbei eine weitere dieser sogenannten "Volksbewegungen", nämlich die WEgeSA : Weltoffene Europäer gegen die Spaltung des Abendlandes und der Welt.

Wir brauchen keine ferngesteuerten Tumulte, Separationskriege oder Finanzkrisen, wir brauchen nur UNS : eine Weltcommunity, die nicht länger der Panik- und Meinungsmache folgt, sondern unbeirrbar den ethischen Grundsätzen der Menschenrechte. Nicht die 10.000 Söldner in der Ukraine, nicht die 25.000 Demonstranten in Dresden und auch nicht die 50.000 Religionskrieger in Syrien sind "das Volk" dieser Welt, sondern die 7.000.000.000 Menschen, die trotz aller Ungleichheit, trotz aller Schwierigkeiten sich täglich bemühen, friedlich ihr Leben zu bewältigen. Es ist unwichtig geworden, woher wir kommen und welche individuellen Weltanschauungen wir haben. Es kommt nur noch darauf an, was wir daraus machen. Nationalismus war gestern, heute ist Pluralismus; dagegen hilft keine noch so raffinierte Meinungsmache und auch kein abgekartetes Spardiktat mehr. Diese globale Einsicht und Wandlung des Bewusstseins kann nur noch verzögert, aber nicht mehr aufgehalten werden. 

Der billigbezahlte Zeitungsausträger, die nichtgeachtete Flusswäscherin, der perspektivlose Langzeitarbeitslose, die gebashte Busfahrerin, der todbedrohte Regimekritiker, die aufopfernde Familienmutter -- so sieht es in Wahrheit aus : "DAS VOLK". 




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01.12.2014


 

Wie es sich für ein anständiges Kind gehört, habe ich vor ein paar Tagen im Morgengrauen den Balkon meiner Mutter "winterfest" gemacht.Während meiner Überanstrengung entdeckte ich ein kleines schwarzes Etwas zwischen den Stühlen. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass dieses Etwas kleine Füße hatte und als Schmetterling einzuordnen war, dem kältebedingt nichts weiter geblieben war, als seine Flügel einzuklappen und auf den wärmeren Frühling zu hoffen. Ich hauchte ihn an, um zu sehen, ob er noch lebe; und nach dem zweiten oder dritten Hauch bewegte er sich tatsächlich. Es war mühsam, aber er ließ sich letztlich doch überreden, auf meine Hand zu klettern. Ich wollte ihn zumindest in´s Treppenhaus bringen, damit er noch ein paar Tage dort überleben könnte. Auf Intervention meiner Elternschaft verbrachte ich ihn stattdessen auf einen Weihnachtsstern, der am Wohnzimmerfenster steht. Dort hingesetzt, saß er nun da und blieb regungslos. Er chilllte sozusagen. Vielleicht dachte er darüber nach, ob die roten Blätter mit Chemikalien eingefärbt worden seien oder doch essbar. Nur 10 Minuten später jedoch hatte er sich ein wenig aufgewärmt, weswegen er mit seinen Flügeln begann zu wedeln. Ein interessantes raschelndes Geräusch, das ich draußen im Umweltlärm noch nie gehört hatte. Schließlich schien ihn ein gewisser Mut zu beflügeln, weswegen er plötzlich begann, unkoordiniert durch die Gegend zu flattern. Er versuchte hartnäckig, durch das temperaturbedingt geschlossen gehaltene Fenster zu fliegen, was ihm jedoch misslang. Etwas missmutig setzte er sich dann auf den Fensterrahmen und schaute hinaus in die Freiheit.Wie gern hätte ich ihm geholfen, doch wäre diese Freiheit sein schneller Tod gewesen. Er saß er einfach nur da und sinnierte eventuell über die universellen Zusammenhänge des Lebens. Regungslos verharrte er bis zum späten Abend, als sich beim besten Willen schon längst kein Ausblick mehr über die Dächer unserer gigantischen Weltstadt erahnen ließ. Allmählich war er allerdings in eine gewisse Schieflage geraten, die ihn als relativ tot deklarierte. "Er ist von uns gegangen", befürchtete ich, und hauchte ihn an. "Ich bin noch da", wedelte er zu unserer Freude zurück. Kurz darauf aber nahm er all seine Kraft zusammen und flog in eine unzugängliche Ecke, die hell erleuchtet war. Dort blieb er bis zum nächsten Morgen. Als dann die Balkontür geöffnet wurde, flog er aus dem Hinterhalt überraschend hindurch -- hinaus in die eiskalte Freiheit ... 

Lieber tot als unfrei, hat er uns gelehrt.

cemartin berlin lektorat ghostwriting - butterfly









- in memoriam -


 

 


 

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30.07.2014


 

Heute mal ein paar weniger erfreuliche Zeilen angesichts unserer immer weniger erfreulichen Weltlage.

 

Seit vielen Monaten beschäftigt uns die mysteriöse Ukraine- Krise, und wieder mal wissen wir nicht WIRKLICH, was das ganze Theater eigentlich soll. "Wer will was vom wem woraus", fragt der Jurist seine berühmte 5W- Frage und findet ebensowenig eine Antwort wie alle anderen Beobachter, die sich gemeinsam mit Herbert Grönemeyer schon seit den 80ern fragen : "Was soll das ?!"

 

Was das soll ? Mal sind es erzkapitalistische Interessen, mal strategisches Machtkalkül, dazwischen vielleicht auch schlichte Unvernunft -- wir dürfen begeistert raten. Ob wir damit richtig liegen, verrät uns jedoch keiner der verantwortlichen Akteure. Stattdessen legen sie uns wortreich immer neue Beweise und Gegenbeweise vor, Statements, Berichte, Drohungen, Manöver, ... alles, was das Große Einmaleins der Politpropaganda hergibt. Schlimm ist, dass nach jeder Enthüllung eine andere kommt, die noch schlimmer ist; nach doppeltem Boden folgt ein dreifacher; hinter einer oberflächlichen Wahrheit erscheint eine tiefere. Wem und was sollen wir da noch glauben ? Klar, wir SOLLEN alles glauben, was uns gesagt wird, aber können und DÜRFEN wir es überhaupt noch? 

Es gibt mittlerweile nichts mehr, worin sich nicht eine kapitalistische oder sogar illuminatorische Weltverschwörung verbergen könnte, und sei es nur ein Verpackungswechsel meiner Lieblings- Schokolade. Ob, ISIS, Asad, Irak, Iran, Nordkorea, Vietnam, Kennedy, Kuba, Zweiter Weltkrieg, Tschernobyl, Lusitania, Treibhaus, Arbeitslosigkeit, Ehrenwort, Währungsreform, Atlantis oder nicht existente UFOs -- alles war hinterher doch irgendwie leider nicht ganz so, wie es uns die hübsche seriöse Dame in den Nachrichten ursprünglich gesagt hat. 

Welchen "Informationen" dürfen wir also noch trauen ? Allmählich nur noch der Tatsache, dass die Sonne morgens auf- und abends untergeht -- selbstverständlich auch nur unter dem Vorbehalt jederzeit möglicher Veränderung unserer Umlaufbahn.

 

Ohne Vertrauen erodiert unsere notwendigerweise auf sozialem Miteinander fußende menschliche Gemeinschaft zusehends. Ohne Vertrauen wächst Misstrauen und letztlich entsteht daraus wieder die altbekannte Anarchie des "jeder gegen jeden", die uns um hunderte Jahre zurückwerfen wird. 

 

Vielleicht sollten wir uns einfach zurückziehen von all diesen politischen und wirtschaftlichen Machtergreifern. Sollen sie doch ihr Spiel allein zu Ende spielen und die Folgen allein tragen; Kriegsgerät, Infrastruktur selbst herstellen und sich selbst gegenseitig damit umbringen. 

Wir sollten einfach nicht mehr mitmachen. Naja, "einfach" ? Das würde u.a. auch einen großen Konsumverzicht für uns bedeuten, denn mit unserem vielen Konsumgeld finanzieren wir letztlich die schmutzigen Spiele der globalen Kriegstreiber, die gut versteckt hinter heiligen Argumenten oder fremden Nationen oder unverhofft aus dem Nichts heraus gebildeten Separatisten oder Großaktionärsinteressen ihre Stellvertreter- Kriege führen. 

Müssen wir uns vielleicht mal fragen, wieviel uns der Weltfrieden und unser Gewissen wert sind. Ab und zu bei Sonnenschein demonstrieren, irgendeine schöne Online- Petition unterzeichnen und Apfelsaft im Bioladen kaufen reicht nicht, wenn wir anschließend weiter mit den spaßigen Konsumprodukten der großen Welt- Manipulatoren unsere Freizeit verbringen : über die Brückentage via airplane im Ausland shoppen; grundsätzlich um jeden Preis billige Produkte kaufen, die 12000 km entfernt billigst hergestellt wurden; über´s Wochenende mit dem Auto quer durch die Republik fahren; lecker vollfressen, ohne sich für die Inhaltsstoffe zu interessieren; Pillen blindlings gegen alles schlucken, Rammel- Pornos für Kinder ganz normal finden; saufen, bis der Arzt kommt; chatten und gamen, bis unseren Augen der Morgen graut; jedes Jahr ein neues Auto; Verantwortung, Moral, Ethik ist was für den Schulunterricht ...

Nicht mitmachen heißt nämlich auch, das uralte System der finanziellen Völkerversklavung und "panem et circensis" nicht länger zu unterstützen, indem wir nicht länger auf die zahllosen Konsumanimationen und (Des-) Informationskampagnen hereinfallen; uns auch nicht mehr von künstlich propagierten angeblichen Trends wie "YOLO, swag & cameltoe" in unserem Verhalten beeinflussen lassen.

Das ist kaum noch möglich, denn viel zu verflochten ist unser Leben schon inmitten des die Weltwirtschaft aufrechterhaltenden Konsums. Aber wo immer wir etwas wir tun können bzw. nicht tun müssen, sollten wir diese Möglichkeit auch konsequent nutzen : nämlich NICHT bei den allgegenwärtigen Konsumorgien mitmachen, NICHT mehr als dringend nötig verbrauchen. 

Dann geht denen, die von unserer Arbeit wie unserem Geld gut leben und damit lässig in der Welt herumspielen können, irgendwann der Nachschub für ihre teuren, menschenverachtenden Machenschaften aus. Keine Melkkuh = keine Milch.

Nebenbei freut sich die Natur über eine deutliche Entlastung, was unsere Kinder in 20, 50 oder 100 Jahren sicher zu schätzen wissen. 

Warum diese Leute durch die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch immer wieder Kriege führen, können wir natürlich nicht wirklich verstehen, denn es gibt dabei schließlich immer nur Land, Prestige, Macht oder Geld zu gewinnen -- kein Herz.

Aber vielleicht haben sie ja gar keins und vermissen es auch nicht. Die armen.


  


 

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06.06.2014


 

Wenn schweigen Silber ist, und reden Gold


 

Schweigen stellt per se keine Willenserklärung dar und darf ohne vorherige Vereinbarung nicht als aussagekräftige Erklärung jeglicher Art gewertet werden; schweigen wird auch vor Gericht formal nicht als Eingeständnis gewertet. Doch vielleicht ist Euch schon aufgefallen, dass gerade deshalb das Schweigen immer beliebter wird. Ob Behörde, Rechtsanwalt, Forenmitglied, Schuldner oder irgendwelche Freunde – wird eine aussagekräftige Antwort intuitiv menschlich erwartet, schweigen sie alle gern, obwohl eine kurze Resonanz bzw. letztlich ein klärender Dialog alle Zweifel leicht beseitigen und eine längerfristige Fortsetzung freundlicher Kommunikation gewähren könnte. Dahinter mag Arroganz vermutet werden, was zu einem nicht unerheblichen Teil auch zutreffen wird, doch schauen wir uns die Situationen, ihre Vorgeschichte und die intellektuell-charakterlichen Fähigkeiten des Schweigenden näher an, kommen wir nicht selten zu der einfachen Schlussfolgerung, es fehle der Gegenseite schlichtweg die Argumentationsfähigkeit. Schweigen wird tatsächlich relativ oft aus der Verlegenheit heraus gewählt, keine Idee zu haben, wie die eigene Position gesichtswahrend gehalten werden könnte oder sogar Angst davor zu haben, einen Fehler offen einzugestehen. Und dann folgt der ängstlichen Ideenlosigkeit die gähnende Leere, plötzliche Unerreichbarkeit, mitunter auch aggressive Abwehr; also entweder Funkstille oder Gegenangriff. Immer wieder sehr eindrucksvoll, wenn insbesondere ein unberechtigter Vorwurf richtiggestellt oder ein Fehler aufgezeigt werden soll, worauf dann der Angeredete sich nicht etwa entschuldigt oder unsere Darstellung unvoreingenommen prüft, sondern es wird schriftlich wie persönlich einfach abgeseilt, vielleicht noch knapp auf wiederholtes Nachfragen genervt reagiert; oder es werden sogar von vornherein atemlos herumbrüllend unsere sachlichen Worte niedergemetzelt und zur Unkenntlichkeit verdreht. Allzuleicht stellen sich dann bei uns Selbstzweifel ein, oder zumindest lässt uns unser Harmoniebedürfnis weiterem Streitgespräch aus dem Wege gehen. Und damit entsteht beim Gegenpart ebenso leicht die Überzeugtheit, mal wieder „gesiegt“ zu haben.

Ein schöner Pyrrhus- Sieg für ihn, denn dieser Mensch hat unsere offene Hand der Dialogbereitschaft leichtfertig ausgeschlagen, seine Chance auf eine Bewusstseins- bzw. Kenntniserweiterung vertan und uns damit verloren. Für uns selbst gibt es da nichts zu bezweifeln oder zu verzweifeln, bestenfalls ihn zu bedauern – den armen Sieger. Ich glaube nicht, dass wir mit ihm tauschen   wollen …

Tröstlich zu wissen, dass es Menschen gibt, die noch größere Probleme haben als wir – oder ?

:)


 

- ps

Kürzlich verabredete ich mich mit einer Architektin, um Marmeladengläser auszutauschen. Wir hatten uns nie zuvor gesehen, weshalb sie mir schrieb, sie trage schwarze Klamotten und sei Mitte 50. Ich nahm aufgrund der Wortwahl und Vorgeschichte an, sie bedauere indirekt ihr Alter oder schäme sich mir gegenüber deswegen. Daher schrieb ich zurück, ich sähe auch nicht jünger aus als 40 und dachte in meiner brillanten Schlauheit, mich auf diese Weise mit ihr solidarisiert zu haben. Als sie mich dann im Termin persönlich sah, rief sie mir jedoch als allerersten Satz fast schon beleidigt entgegen "Du siehst doch gar nicht jünger aus als 40, sondern viel älter !" ... Sie hatte meine Worte offenbar dahingehend missverstanden, ich hätte mich ihr gegenüber aus Gründen der Eitelkeit als wesentlich jugendlicher abgrenzen wollen.

Ja, -- wenn Worte reden könnten ... aber manchmal ist schweigen wohl doch besser als reden.

Wir haben uns nie wieder gesehen. 


 



 

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24.03.2014


 

50 random facts about ... whom ?!


YT hat mich getagged, ... getackt ... ähm, also angehauen oder wie das heißt. Ja, meine Süßen, die haben mir vorgeschlagen, doch mal so ein Video anzuschauen, wo jemand was von sich erzählt und so. Hab ich dann mal so gemacht und war voll erstaunt. Stellt Euch vor, da erzählt so´ne hübsche Zwanzigjährige aus ihrem Leben und wie sie alles sieht und so. Hab mich erst gewundert, wer issie denn, dass sie sich hier so präsentiert und hab dann aber gesehen, dass sie schon 150 Videos gedreht hat und damit 80.000 Abonnenten gewonnen hat, mehr als 300.000 Aufrufe jeweils und fast immer nur Likes. Dann hab ich mir mal so ein paar Dinger angeschaut und dachte mir so, na toll, das kann ich auch. Achso, nee, blöd, das kann ich ja doch nicht, fiel mir dann aber ein, weil ich ja nicht so hübsch bin, schade. Stellt Euch vor, was Euch da alles entgeht ...

 

fact no. 1 -- ich mag Schokolade. Ja, wann immer ich Schokolade sehe, muss ich sie auch essen, darf aber kein Chili drin sein, hihi.

fact no. 2 -- ich hatte noch nie eine Katze. Das verstehe ich zwar selbst nicht, weil ich Katzen eigentlich sehr mag, aber es hat sich eben nie ergeben. Aber vielleicht läuft mir ja mal eine zu, [grins].

fact no. 3 -- ich liebe Klappräder ! Ja, aber nur die echt alten aus den 60er und 70er Jahren. Die sind zwar lahm, aber dafür niedlich und stilistisch voll retro. Bonanza dagegen finde ich zwar interessant, aber blöd, weil man immer gleich nach hinten überkippt, wenn man Vollgas gibt. ;)

fact no. 4 ich benutzte kein Mascara. Ja, weil ich finde, dass meine Augen so viel natürlicher aussehen; ich bin überhaupt ein voll natürlicher Typ, ich bin auch voll gern in der Natur und so. :)

fact no. 5 -- meine Freundin Gabi hat gesagt, ich sei immer voll böse. Hat sie natürlich voll ironisch gemeint. Ich finde, sie hat voll recht, harhar.

fact no. 6 ff. -- ich bin ein Mensch wie alle anderen auch; insbesondere wie die weltweit zahllos hungernden, leidenden, sterbenden. Und niemand von denen interessiert, mit welcher Hand ich schreibe, welches Kleid ich nie anhatte, was ich immer zum Abendbrot esse, welchen Film ich sechsmal gesehen habe und wo ich studiert habe.

-- Mich auch nicht.

 


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19.12.2013

 

+ 5 8


Jemand aus Venezuela rief mich an. Nachdem ich ansetzte, in höchsten Tönen sein Heimatland zu loben, durchkreuzte er meinen Enthusiasmus, indem er mir von Anarchie auf den Straßen, mehreren hundert gewaltbedingten Todesopfern wöchentlich, willkürlich abkassierenden Polizisten, mehreren tausend Prozent Inflationsrate, fast völliger Importabhängigkeit mit folglich horrenden Preisen für Lebensmittel und von weiteren Unbehaglichkeiten berichtete. Seine Kinder habe er bereits in´s Ausland geschickt und er selbst verlasse Venezuela so bald wie möglich, weil die Lebensqualität "am Nullpunkt angelangt" sei. Das Gespräch beendete er schließlich mit der Überlegung, es könne abgehört werden. Angesichts meiner betroffenen Sprachlosigkeit blieb mir nur, ihm, seiner Familie und seinem Land alles erdenklich Gute zu wünschen. 


 Wenn in unseren Nachrichten von Mord und Perversion erzählt wird, um im selben Atemzug mit den Bundesliga- Ergebnissen anschließen zu können und beim Nieselregen aufzuhören, dringen diese Grausamkeiten überhaupt nicht in unser Innerstes. Wir leben hier in unserer stark befestigten Oase inmitten weltweiter großer und kleiner Katastrophen, Krisen, Kriege und halten diesen halbwegs paradiesischen Zustand gesicherten Überflusses für total normal. Ist aber nicht normal. "Normal" ist Unrecht, Übervölkerung, Unterernährung; Mangel allenthalben.

Wir könnten ruhig mal innehalten, dankbar sein, -- und der großen Mehrheit unserer Menschheit aufrichtig mitfühlend gedenken, der es nicht ansatzweise so gut geht wie uns. Weihnachten im Sinne einer heilig geweihten Nacht bedeutet nicht, konsumieren bis die Wampe platzt, sondern Nächstenliebe und teilen. Es spricht nichts dagegen, jeden Tag ein solches Weihnachten zu feiern. 

Aber diese Message ist wirtschaftlich betrachtet natürlich völlig unhaltbar, uncool sowieso.


 

Stell Dir vor, es ist Dekadenz -- und keiner hat mehr Spaß daran.


 


 

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17.11.2013

 

Na, freut Ihr Euch ?


 

"Frohe Weihnachten", nuschelt uns der in einem zerknitterten Santa- Kostüm lustlos im Gedränge vor dem Eingang herumlatschende Student an, nachdem er seine Kippe gleichgültig irgendwohin geschnippt hat. Im Laden stapeln sich seit dem Spätsommer brüllend feierlich verpackte Lebkuchenherzen auf Dutzenden Europaletten. Gleich daneben wie immer 22 Tonnen nagelneuer Lichterketten frisch aus dem schwülheissen Asien, die längst in keinem zivilisierten Haushalt mehr fehlen, weswegen die jeweils älteren jedes Jahr weggeworfen werden müssen, um endlich neue kaufen zu können. Weshalb die Mitarbeiter in den Verkaufsräumen keinen Gehörschutz tragen, erschließt sich nicht, wenngleich nur wenige Minuten umtost vom alldurchdringenden Jingle der seit 50 Jahren nahezu unverändert gebliebenen Weihnachtsmelodien allen nicht apathischen Kunden wie eine ernsthaft den Lebensmut bedrohende Ewigkeit erscheinen müssen. Es fehlt nicht an überreichlich platzierter Dekoration -- Kunststoff- Imitationen antik geschmückter Weihnachtstanne --, denen schon qualitativ trotz unzweifelhaft feierlicher Relevanz keinerlei emotionale Einflussnahme gelingt. Grün, rot, gold, die Farben des Festes der Liebe, fehlen auf keinem noch so überflüssigen Impulskaufartikel. Die Akkordkassiererin endlich überlebt, stellt sich die Frage, weshalb nicht einfach von vornherein das Geld dort abgegeben wurde, OHNE etwas zu kaufen -- Verkäufer, Kunden und Umwelt würden sich freuen.

 

Ja, wir freuen uns alle. 

-- Auf Januar.

:)


 


 

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09.07.2013


 

Kürzlich suchte mich eine gewisse M. schriftlich auf, woraus sich ein unverhofft intensiver Kontakt entwickelte. Als wir uns dann ein erstes Mal kurz persönlich trafen, stellte ich wieder einmal fest, wie lediglich begrenzt geschriebene Worte Inhalt übermitteln können. Ein sogenanntes "Date" sagt mehr als 1000 Worte. Wer braucht noch Mails -- wenn es echte Menschen gibt . 

Abgesehen davon gibt´s einen Todesfall zu beklagen, der zwar nicht plötzlich hereinbrach, aber trotzdem alle Planung als obsolet vom Tisch fegte. In solchen Situationen fragt man sich mal wieder, wozu Vorbereitung  -- wenn es sowieso anders kommt.

M erklärte mir, wenn eine Phase länger als drei Monate andauere, sei es keine Phase mehr, sondern ein Zustand. Ich bin also einem arbeiten-schlafen- Zustand zum Opfer gefallen. Tja, weshalb betreibe überhaupt eine eigene Website -- wenn ich keine Zeit habe, sie zu bewirtschaften.

 

Glücklicherweise sieht man den Texten nicht an, dass sie allmählich verstauben und sich Spinnweben einnisten. Ja -- auch geschriebene Worte haben ihre Vorzüge ...


 

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01.05.2013

Die Auslastungsgrenze ist erreicht, spätestens seit ich neben allen anderen Erfordernissen eine neue Website erstelle. Daher können bis auf weiteres noch immer keine neuen Texte eingestellt werden. Nicht, dass jemand sie dringend vermissen könnte, doch hatte ich ja vollmundig "neue ... Basteleien" in regelmäßigen Abständen angekündigt; daher der heutige kleine Hinweis allein aus Gründen der Höflichkeit ... falls sie jemand dringend vermisst hätte. Die Texte -- nicht die Höflichkeit :)


 

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23.02.2013

Plötzlich ist schon wieder ein halbes Jahr vergangen. 

Die Zeit verrinnt ebenso dramatisch wie die Preise inflationär steigen, die Realrentenhöhen desilusionierend sinken und wie missliebige Ereignisse aller Art neuerdings kein "Ponyhof" sind (wer hat sich eigentlich dieses bescheuerte Sprichwort ausgedacht?!).

Ich hätte nicht gedacht, dass insbesondere das Ghostwriting derart freundliche Aufnahme findet. In den letzten sechs Wochen schrieb ich einen Vortrag, eine Lehramts- Facharbeit, eine Betreuungsanregungs- Erwiderung, eine Zahlungsklage nach mehreren Zahlungsaufforderungen, eine (kurze) Englisch- Hausarbeit, (fremde) Homepagetexte, eine Ikonographie, eine Prüfungsanfechtung und weitere Kleinigkeiten im Akkord -- nebenbei. 

Jedenfalls bin ich derzeit etwas zu "ausgebucht", um die längst vorhandenen weiteren Textfragmente zu modernisieren und hier einzustellen oder neue Ideen zu realisieren. Hört sich jetzt bestimmt total protzig und prahlerisch an, sorry, ist aber echt nicht erfunden. Vielleicht ist das hier auch nur so eine kurze Phase, der langanhaltende Ruhe folgt; keine Ahnung. Macht aber Spaß.

Erst in Richtung April habe ich wohl wieder Nerven für neue Stories auf berlin-erzählt.de. Aber ich will mich nicht beklagen -- schließlich ist auch ein spaßiges Leben kein Ponyhof ... 


 


 

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25.08.2012

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